Karijini National Park
Australien, CamperLife

Leinen los!

Aus verschiedenen Gründen hängen wir unserem Zeitplan bereits mehr als drei Monate hinterher und wäre das nicht schon genug, so präsentiert sich der diesjährige westernaustralische Winter (Juli 2021) auch noch von seiner richtig nassen Seite. Da unser Bauplatz im Freien liegt und wir nur am Wochenende effektiv arbeiten können, verzögert sich die Fertigstellung von Mr. Happy mehr und mehr. Aus diesem Grund entscheiden wir uns kurzerhand vorzeitig allen unnötigen Ballast über Bord zu werfen, um uns voll und ganz dem Baugeschehen widmen zu können. Im Einzelnen kündigen wir unsere Jobs sowie das Apartment, um so 24/7 den Fokus auf unseren Van zu haben. Nichtsdestotrotz gehen fast noch zwei weitere Monate ins Land bevor wir nach genau 13 Monaten und 3 Tagen Bauzeit endlich zum „vorläufigen“ Abschluss kommen.

Es ist Freitag der 17. September 2021, kein besonders schöner Tag hier in Perth, aber für uns und Mr. Happy dennoch ein Bedeutender. Heute soll es endlich losgehen. Die letzten Stunden drehen sich vornehmlich ums Packen und Befüllen unseres neuen mobilen Hauses. Da der Platz begrenzt ist friemeln wir uns in einer Art „Wohnwagen–Tetris“ durch alle Schränke, bis auch die letzte Büchse ihren perfekten Platz gefunden hat. Zu guter Letzt noch die Fahrräder drauf… ja, hätte man schon mal vorher probieren können, denn es benötigt etwas Feintunning und fast zwei Stunden bevor die perfekte Position auf den Trägern gefunden ist.

Nun aber geht’s…. halt, oder besser nicht direkt los. Bevor wir „in Straße stechen“ können, steht uns noch ein letzter wichtiger Termin ins neue Haus – Mr. Happy muss vor der Abfahrt nochmal voll beladenen auf die Waage. Seit dem Kauf unseres Gefährtes vollzogen wir diese Prozedur bereits zwei Mal und kumulierten seitdem überschlagsweise alle zusätzlichen Einbauten zur Gesamttonnage. Nichtsdestotrotz wiegt es sich in Gewissheit besser, ganz zu schweigen vom Fahrgefühl. Nach fünf Minuten Anspannung auf der „Public Weighbridge“, die obendrein noch $40 kosten, wird aus Glaube Gewissheit und „Mr. Happy“ rollt seinen 3.8 t schweren Astralkörper von der Waage. Für den interessierten Leser in Deutschland sei noch angemerkt, dass unser Fiat nicht über die üblichen 3.5 Tonnen Gesamtmasse verfügt, sondern bereits um 700 kg von Werk aus aufgelastet ist. Somit ist alles im Rahmen und es kann losgehen.

Für unseren ersten Trip durch Western Australien haben wir gut sechs Wochen Zeit eingeplant. Wer sich jetzt fragen sollte, warum wir nicht länger reisen, dem sei gesagt, dass uns im November ein erfreuliches Ereignis ins Haus steht das da lautet – Hochzeit von AJ und Sabrina… schön, wenn die „adoptierten Kinder“ sich trauen und man selber „noch“ nicht… nicht wahr Thomas…?

Der äußere Zeitrahmen steht, aber im Detail haben wir nichts geplant, abgesehen von der groben Fahrrichtung die da lautet, nordwärts. Damit ihr eine bessere Vorstellung davon bekommt, wie wir dennoch den Alltag auch ohne genaue Planung meistern, hier ein paar Ausführungen. Grundsätzlich hangeln wir uns in Western Australien entlang der größeren Highways und versuchen dabei Sehenswertes, Schönes oder Interessantes anzufahren sofern das möglich ist. Im digitalen Zeitalter hilft uns dabei eine Wiki-App, in welcher sich alle Orte von Interesse finden lassen und Besucher dieser Plätze ihre Erfahrungsberichte in Kurzform hinterlassen können. Andere Reisende profitieren dann von den hinterlassenen Informationen und können sich einen ersten Eindruck vorab verschaffen, ob sich ein Stopp lohnt oder eben nicht. Sehr hilfreich ist diese App insbesondere für die Suche von günstigen bzw. freien Übernachtungsstellplätzen. Wir versuchen an Reisetagen nicht mehr als 200 km zu fahren, sofern dies möglich ist. Angie plant für gewöhnlich die nächste Route und sucht mit Hilfe der App sowie allen anderen vorhandenen Information die Strecke nach Sehenswürdigkeiten bzw. einem Stellplatz ab. Unsere generelle Planung haben wir in etwa so ausgerichtet; drei bis vier Tage „frei Stehen“ auf kostenlosen Plätzen gefolgt von ein bis zwei Tagen auf einem kostenpflichtigen Campingplatz mit allen Annehmlichkeiten. Unser Reisemobil ist diesbezüglich ausgelegt. Wir haben einen Frisch- sowie Abwassertank, eine Außendusche sowie Toilette und können dank unser Solaranlage sowie reichlicher ganzjähriger Bestrahlung von oben dauerhaft ohne Landstrom auskommen. Wie ihr sicher in diesem Absatz bemerkt habt geht´s ohne „Planung“ nicht. 😉

Hinzufügen lässt sich vielleicht noch dass es grundsätzlich im Inland sowie abseits von Touristenattraktion wie z.B. National Parks einfacher ist einen kostenlosen Stellplatz zu finden. Viele kleine Ortschaften im Inland, ohne „wirkliche“ Attraktionen, bieten daher freie Stellplätze an, um mehr Touristen anzulocken, die dann bei den örtlichen Geschäften das „Ein oder andere“ gegen Geld eintauschen. Sehr oft bietet der Stellplatz dann noch eine Toilette, Mülleimer oder ein Sanitärentsorgungspunkt als Extra obendrauf an. Relativ einfach ist es etwa auch Frischwasser zu bekommen. An fast allen Tankstellen sowie regelmäßig neben den Touristeninformation befindet sich eine Frischwasserzapfstelle. Die erwartete Gegenleistung wäre in diesen Fällen eigentlich nichts, wer aber ein schlechtes Gewissen hat oder die Community unterstützen möchte, tankt und lässt ein oder zwei Goldcoins ($1, $2) in der Sammelbox der Touristeninfo klingeln.

Wir halten seit Minuten Ausschau nach einem grünen, frühstückbrettgroßen Zeichen mit der Nummer 39257, platziert am linken Straßenrand in Fahrtrichtung Kalgoorlie, so zumindest zeigt es unsere WikiApp an. Der dort beginnende Feldweg… Verdammte Scheiße, vorbeigefahren, …soll uns zu den Karalee Rocks bringen. Endlich, nach weiteren 10 km können wir dann endlich umdrehen, um zurückzufahren. Beim zweiten Anlauf passen dann Wahrnehmung und Geschwindigkeit besser zusammen.

Ein Wegelagerer der besonderen australischen Art stellt sich dann einige Sekunden später bei uns vor. Wer die wunderschönen Panoramabilder der schier endlosen roten Outbackpisten kennt, verkennt die im Breitband nicht sichtbare waschbrettförmigen Oberfläche, die der gemeine Australier mit dem passenden Begriff “Corrugations“ umschreibt. Es gibt genau drei Möglichkeiten diesen angemessen zu begegnen ohne sich wie auf der Rüttelplatte zu fühlen – vermeide Sandpisten, oder fahre maximal 20 oder mehr als 80 Km/h, wobei die dritte Variante einen zwar über die “Corrugations” fliegen lässt, das Fahrzeug aber gleichwohl in Mitleidenschaft gezogen wird.

Heute haben wir Glück, denn der Stellplatz ist nur vier Kilometer entfernt, womit uns die fahrzeugschonenden 20 km/h nicht sonderlich stören. Gleichwohl merken wir natürlich das unser Gefährt nicht für längere Passagen solcher Pisten gebaut ist.

Karalee Rocks – ist ein schöner Platz zum Übernachten und Rumschwofen sowie ein gutes Beispiel für eine Vielzahl von Stellplätzen, die von Campingreisenden angefahren werden. Eigentlich gibt es hier nichts Weltbewegendes zu sehen, nichts zumindest, was den typischen Touristen anlocken würde. Entlang des sandigen Rundkurses, der von Gumtrees eingerahmt wird, befinden sich etwa 20 Stellplätze mit Feuerstelle sowie das obligatorische Plumpsklo in der Mitte des Platzes. Beim Bau der Eisenbahn nach Kalgoorlie benötigte man für die damaligen Dampfloks jede Menge Wasser, welches in einer trockenen Einöde natürlich schwer zu beschaffen war. Als die Ingenieure beim Bau der Strecke auf eine mehrere Hektar große, leichtansteigende Granitformation (Karalee Rocks) stießen, rahmten sie diesen Felsen am Fuße mit einer Mauer ein und errichteten am tiefsten Punkt ein Viadukt mit angeschlossenem Wasserspeicher, der noch heute funktioniert.

Zwei Tage später erreichen wir meinen westernaustralischen Lieblingsort Coolgardie, ein Platz, der die Kulisse für ein Tarantino Film inklusive Schauspieler sein könnte. Wir verweilen heute aber nur kurz hier wollen wir doch einen Schwenk in die richtige Pampa machen. Zunächst bedeutet das für uns 70 km mehr oder weniger Schlaglochpiste. Nach fast zwei Stunden werden wir aber mit einer wunderschönen „Cattle Station“ nebst angeschlossenem Campingplatz belohnt.

Bei unserer Ankunft schweben zwei kleine Helikopter über uns, die die Kühe der weitläufigen Farm zum „Mustering“ zusammentreiben, eine gängige Methode im australischen Outback, um auf den manchmal tausende Hektar großen Farmen alle „Schäffchen“ ins Trockene zu bekommen. Wir vertreiben uns die Zeit mit Fahrradfahren, eine zugegebener Maßen ungewohnte Art der Fortbewegung hier im Busch. Gut sieben Kilometer entfernt befindet sich ein Vogelparadies in Form einer Süßwasserlagune, die wir nach dem Realitätscheck als Teich oder kleiner See einstufen würden. Nichtsdestotrotz tummeln sich hier selbst in der zugvögelfreien Zeit immer noch genügend fliegende Gesellen*innen (ich versuche es mal mit Gendern), welche ich (Thomas) im Anschluss in meiner eigens erworbenen Vogelenzyklopädie zu suchen pflege. Als Belohnung stellen sich ähnlich wie beim Memo spielen ungeahnte „Aha-Effekte“ ein.

Wir sind wieder auf der Road. Hier im nördlichen Westen Australiens haben Zeit und Entfernung andere Maßstäbe. Die oft für viele Kilometer schnurgerade verlaufenden Straßen zerschneiden die Monotonie der Landschaft. Am Horizont puzzelt die von der Straße aufsteigende Hitze eine nach der anderen Fata Morgana oder spuckt doch, nach schier endlosem Starren in die Ferne ein entgegenkommendes Fahrzeug aus. Für uns der perfekte Ort, um die Gedanken schweifen zu lassen oder einfach mental im Leerlauf abzuhängen.

Ein weiteres „leidliches“ Thema beim Reisen im australischen Outback ist der rote Staub, oder sollten wir ihn eher Puder nennen? Im Vergleich zum Durchschnittsaustralier leiden wir Beide an einer Zwangsstörung in Bezug auf Reinlichkeit. Strand und danach mit Sand an den Füßen in den Van bzw. ins Bett – „No Way“. Ähnlich verhält es sich mit dem roten Staub im Outback, der aber als ultimativer Endgegner in einer anderen Liga spielt. Als im deutschen Sprachraum sozialisierte Strukturmenschen stellen wir uns dem Konkurrenten mit einem ausgetüftelten Plan verschiedenster Maßnahmen, die vom Verkleben von Öffnungen bis hin zum langsamen Fahren auf staubigen Pisten alles menschenmögliche beinhaltet. Wir können für uns festhalten, dass sich bei Einhaltung aller Maßnahmen sowie einem täglichen, rigorosen Putzregime der Innerraum halbwegs sauber halten lässt. Die äußere Hülle hingegen wirkt nach einer Hochdruckreinigung aus der Ferne halbwegs sauber, was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass selbst 6 Monate nach dem Verlassen des Outbacks inklusive mehrerer Wäschen immer noch roter Staub aus irgendwelchen Ecken hervortritt. Wer hingegen seinen fahrbaren Untersatz färben möchte sollte in der Regenzeit ins Outback fahren. Dann verwandelt sich der putzige Staub in klebrige Pampe.

Um dem Staub grundsätzlich ein Schnippchen zu schlagen sollte man sich in Western Australien vorwiegend an der Küste bewegen, um dort die wunderschönen Strände zu genießen. Wir mögen das auch aber ebenso das staubige Inland, mit seinen ausgetrockneten Flussläufen, den hügligen Landschaften der Pilbara oder Örtchen wie Gascoyne Junction, wo einfach nur zwei Staubpisten einen Fluss kreuzen.

Wie hat sich unser Gefährt geschlagen? Wir sind im „Großen und Ganzen“ happy mit ihm. Wie bereits beschrieben können wir nicht alle Buschpisten befahren, was aber auch nie geplant war. Für uns verbindet Mr. Happy ein angenehmes Wohnambiente mit wirtschaftlicher Flexibilität. Natürlich gibt es wie immer im Leben auch noch einige Dinge zu verbessern. Wir werden definitiv die Federung der Hinterachse verstärken, die aufgrund der Beladung sowie der bereits verbauten Fahrwerkserhöhung an der Frontachse hinten ein wenig durchhängt.

Wie es weiter mit uns geht erfahrt ihr in unserem nächsten Bericht. Bis dahin eine schöne und erlebnisreiche Zeit.

Eure drei Wohnmobilisten

Mr. Happy, Angie und Thomas

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